Liebe Leserinnen und Leser,
nach unseren umfänglichen Stationsmeldungen bringen wir nun alle Geschichten und Erlebnisse, die nicht vergessen werden sollen, in unsere Seemannsgarn-Kiste (Seite) ein.
Wir wünschen Euch viel Spaß beim Lesen, für uns soll dies eine Erinnerung an die kleinen und großen Geschichten diese Reise sein.
Mail an die TWEENY
Hallo Ihr Zwei,
kleiner Bericht unserer Überfahrt von Grenada nach Carriacou. Recht schnell hatten wir eine Strömung direkt an Küste, die uns enorm nach Norden beschleunigt hat. Wir mussten aber sehr nah an der Küste fahren, was aber den Vorteil hatte, wir konnten noch ein paar Kokosnüsse und Bananen pflücken. An der Nordspitze setzten wir dann die Segel mit direkten Kurs auf die Sisters. Ein Wharram-Katamaran segelte kurz vor uns, diese Katamarane, die alle Männer lieben, nicht weil die einfach zu bauen sind, toll schnell segeln und nach dem Keep It Stupid Simple Prinzip arbeiten, sondern weil der Wharram selbst, als einziger Segler, es schaffte mit zwei Frauen nicht nur zu Segeln. Nun wie auch immer, der Kat war lustig angemalt und wir kamen nicht an dem vorbei, da merkte ich, wie sich unsere Angel bog. Wir hatten doch tatsächlich einen Container gehakt, die Bremse hat wohl geklemmt, Als das beseitigt war, ging die Angel los und ein Megathunfisch kämpfte gegen sein Schicksal. Zum Glück war gerade ein Big-Game-Kontest hier und die haben uns geholfen. Die hatten auch ein Fischverwertungsschiff dabei, das hat uns leckere küchenfertige Steaks geschnitten hat. Kaum war die Angel wieder draußen ist der Kick 'em Jenny ausgebrochen. Überall Strudel, Blasen und übler Schwefelgestank. Wir konnten nicht verhindern in einen Strudel zu geraten, nun war guter Rat teuer. Doch mit beiden Maschinen gaben wir Vollgas und durch die erhöhte Fliehgeschwindigkeit sind wir dann wieder raus. Leider haben wir eine Runde zuviel gedreht, da Angelika den frischen Thuna mit Soja und Zitrone bereitet hatte und wir erst einmal bei einem trocken Chablis kosten mussten. Jedenfalls hatten wir so einen Speed drauf, dass wir fast an Carriacou vorbei gerast wären. Auch die 6 Meter Wellen haben uns nicht bremsen können. Um nicht an Carricaou vorbeizufahren, haben wir den großen Fallschirm ausgebracht, der eigentlich nur für den Ernstfall in schwerem Wetter gedacht ist, der hat ganz gut gebremst. Als wir den am Ankerplatz reingeholt haben war der voller Mahi Mahis, da müssen wir wohl noch eine Schwarm erwischt haben.
Danach war erst einmal ein schöner Drink fällig, auch wenn es eher einer dieser normalen Tage war. Alles zusammen eine ganz schöne Überfahrt. Schade, dass Ihr soviel Pech hattet.
Ooh, Angelika kommt gerade aus 30 Meter Tiefe hochgetaucht und meint unser Anker hat sich an einer Schatzkiste verhakt, davon mehr in der nächsten Mail, ich muss Schluss machen.
Bei Euch auf dem Ankerplatz vor St. George war vermutlich mehr los, nah aber das erzählt Ihr uns dann mal ganz ausführlich beim nächsten Treffen.
So long
JO
Antwort vom Chris
Jo
du bist mein Lieblings Münchhausen da können wir nicht mithalten,
obwohl der Kampf hier am Ankerplatz mit dem Riesenkraken auch nicht ohne
war, sowie die Schlittenfahrt bei 30cm Neuschnee den Seven Sister Fall
hinunter mit anschließender Eislaufrunde in der Carrenage wo
Oktoberfestbier ausgeschenkt wurde mit Himbeergeschmack und
Zitronengarnitur.
Wahrscheinlich ist auch der Wahlhai der die Fähre attackiert hat ein Kinderspiel gegen Eure Überfahrt!
Vielleicht
brechen wir nächste Woche auf nach Alaska um dort Gänseblümchen zu
züchten und zu ernten um damit die Eisbären zu füttern um die Population
zu erhalten, aber über das reden wir dann in einer Woche wenn wir von
Alaska zurückgesegelt sind.
PS den Schatz teilen wir doch oder ?
Über den TO, Oktober 2017
Als Mitglied des Vereins TransOcean
e.V. ein paar Worte zu diesem wichtigen Traditionsverein. Warum, wird
der Leser sich fragen. Nun, wir treffen auch Yachten die abweisend
und abwertend über TransOcean sprechen, deren Besitzer ausgetreten
sind und überhaupt ein schlechtes Bild von TransOcean vermitteln.
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Wo gehts lang in Bequia, bzw. beim TO ? |
Dem will widersprochen werden, ganz
klar und deutlich hier auf unserer Website. Das soll nicht heißen,
dass wir mit allen Entscheidungen der Vereinsführung oder dem
Verhalten einzelner Mitglieder einverstanden waren oder sind. Ich
wünschte mir auch, dass nicht so viele Mitglieder ausgetreten wären,
doch respektiere ich dies natürlich. In einem Verein muss die
Toleranzgrenze der Mitglieder für Fehler der Vereinsführung höher
liegen als in anderen Organisationen. In Vereinen bilden
unentgeltlich arbeitende gewählte Mitglieder die Geschäftsführung.
In Unternehmen treffen gut bezahlte Manager in der Regel 40% richtige
Entscheidungen. Dennoch ist klar für jeden, ist einmal die Grenze
von Fehlentscheidungen überschritten und wird das von der Mehrheit
der Mitglieder auch so gesehen, dann wird abgewählt, das sind die
Regeln.
Der ständige Zufluss neuer Mitglieder
zeigt, dass TransOcean als wichtig und notwendig wahrgenommen wird.
Wer eine Reise über den „Ocean“ plant, tut etwas ganz
außergewöhnliches. Wasser hatte und wird nie Balken haben und die
Ängste, was geschieht mit meinem Leben da draußen, treffen jeden.
In einer Gemeinschaft werden diese Ängste greifbar, diskutierbar und
kalkulierbar. Durch den Austausch der Erfahrungen festigt sich die
Sicherheit, dieses große Abenteuer zu starten.
(Und
die
Eigner suchen durch Einbau von viel Technik, diese Ängste zu
kontrollieren, während
die
Frauen vertrauen.)
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Wasser hat keine Balken, Katamarane sind/sollten unsinkbar sein |
Es werden immer mehr Menschen diese Art
des Abenteuers, fremde Länder zu bereisen, antreten. Die Form eines
Sabbaticals etabliert sich zunehmend in Deutschland, die Arbeitgeber
erkennen, dass es besser ist, einen Mitarbeiter ins Sabbatical gehen
zu lassen, als ihn ins Burnout zu verlieren. Die Industrie liefert
genug Technik für eine sichere Reise und in den besuchten Ländern
gibt es immer mehr Marinas und Servicestützpunkte. Navigation und
Kommunikation werden zum Kinderspiel, der Sextant wandert ins Museum.
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Segler können gute Knoten machen, nur das gemeinsame Lösen von Problemen scheint manchmal Schwierigkeiten zu bereiten |
Was
fehlt bei der Planung,
ist der menschliche Kontakt zu Gleichgesinnten. TO
bietet die Möglichkeit,
sich insbesondere
im Vorfeld der Unternehmung mit
Erfahrenen und Gleichgesinnten auszutauschen.
Die Ausweitung der TO-Lehrgänge
ist das beste Beispiel dafür. TO-Magazin
und zunehmend
die neue TO-Website
bringen die Segler auf Basis verlässlicher Informationen zusammen.
Das Prinzip, die
Neuen lernen von den Alten, wird ewig bestehen.
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Ein Schiff wird bestaunt |
Die größte Freude ist es später, mit
Yachten auf gleichem Kurs die neuen Reviere zu entdecken. Die
Wiedersehensfreude oder auch die Verabschiedungen sind immer die
emotionalsten Momente. Das macht diese Art des Reisens aus und wird
durch die vielen Treffen im Anschluss an das große Abenteuer
bestätigt.
Segler sind starke Individualisten und
wir als Katamaransegler legen noch eine Schippe oben drauf. Wir
passen nicht so recht in die traditionellen Vorstellungen, wir sind
die „Daniel Düsentriebs“ der Seglerszene. Individualisten sind
nicht so recht für menschliche Gemeinschaftsorganisationen geeignet,
vielleicht erklärt dies die Situation in vielen Segelvereinen,
Mitgliederschwund, und Interessenlosigkeit. Vielleicht ist es auch
ein Zeichen der Zeit und der Generation. Der TO ist davon nicht
betroffen und wird wachsen können, wenn alle die Zeichen der Zeit
erkennen.
Ich wünsche mir, dass die Zukunft von
konstruktiver Vereinsarbeit seitens der Mitglieder in Form von
Rückmeldungen an die Geschäftsführung und stetiger
Innovationsfreude seitens der Führungsmitglieder geprägt ist. Unser
Stil sollte stets freundlich und zurückhaltend sein.
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Auch in Casties auf Saint Lucia hat man es verstanden .... |
Über die Segler, Oktober 2017
Ich bin als Ostseesegler an der
Flensburger Förde aufgewachsen. 1973 hatten wir eine
Grenzübergangserlaubnis nach Dänemark, da wir ja ständig in
dänischen Gewässern unterwegs waren. Grenzen waren damals noch
echte Grenzen mit langen Warteschlangen und Öffnen des Kofferraumes.
Butter und Diesel waren in Dänemark günstig, daher fuhren in
Flensburg viele Diesel-Mercedes. Butter und leckere Dickmilch führten in meiner Familie
oft zu Fahrten mit dem Auto ins nahe Krusau. Mit unserer Jolle waren
mein Vater und ich von einem dänischen Grenzbeamten unwirsch
geschnappt worden, als wir hinter den dänischen Ochseninseln schnell
ein Hot-Dog essen wollten, das war vor 1973, wir waren illegal in
Dänemark, mein so korrekter Vater erlitt beinahe einen Infarkt! Danach hatte ich den blauen Zettel, aber mein Vater fuhr nie wieder mit
mir in der Jolle über die Grenze.
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LIS Jolle auf der Schlei mit Kurs zurück zum Zelt am anderen Ufer, nachdem der Vater frisches Geld gebracht hatte ..... |
Ich teilte die Segler gerne in Ostsee-,
Nordsee-, Mittelmeer-, Atlantik- und Weltumsegler ein. Jedes Revier
findet seine Segler und umgekehrt. Die erste Erfahrung waren die so
anderen Hafenmeister der Nordsee. Die einfach netter und
hilfsbereiter waren. An der Nordseeküste gab es offensichtlich ein
anderes Verständnis für die schwierigen Elemente, in denen wir uns
bewegten. Die ersten Tidenberechnungen für den BK-Schein
(Führerschein für Segel- und Motorboote im küstennahen Bereich)
waren nicht so einfach und man fragte sich ernsthaft, warum man in
einem Revier segeln sollte, wo sich das Wasser so merkwürdig
verhält. Ich denke, in den Tidengewässern schnackt der Segler
einfach mehr über die wichtigen Fragen: wann geht das Wasser weg und
wann kommt es wieder. Das ist existenziell. Wer es nicht rechtzeitig
schafft und eine Ebbe abwarten muss, entwickelt ein anderes
Verhältnis zu der Natur.
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Autor im Junior mit Kurs auf Fünen-Rund, Sommertour, Flensburger Förde um 1973 |
Das schönste Segelrevier sind und
bleiben die Küsten zwischen dem Nordkap und dem Cabo São
Vicente an der Südwestecke von Portugal. Sicher gehört auch noch
die Algarve bis Gibraltar dazu. Ich traf einen Segler, der im Sommer
nur an der französischen Küste segelt, seine Frau würde lieber den
Rasen im trauten Heim pflegen, doch auf die Frage, wie lange das hier
noch gehen könnte, antwortet er nur: „Für immer, ich kenne noch
nicht alle Restaurants!“ In der Tat, der kulinarische Aspekt auf
dieser Strecke ist unschlagbar. Und so segelt der Katamaran Phoenix
weiter jeweils in einer Sommersaison von Süd nach Nord und in der
nächsten den umgekehrten Weg. Mit genügend Zeit im Rücken kommt
auch der Wind immer günstig. Das Revier ist atlantisch geprägt und
viele machen auch einen Abstecher über die Kanaren zu den Azoren,
die sogenannte kleine Atlantikrunde. Diese Segler suchen nicht die
einsamen Südseestrände, müssen keinen Kawa mit unbekannten
Halbnackten trinken, sondern sie schätzen überschaubare Seestrecken
mit abwechslungsreicher Kultur.
Das Mittelmeer ist geprägt von Marinas
und deren Vorzügen. Für uns völlig neu waren die Marineros in
gebügelten Uniformen, die beim Anlegemanöver eine große Hilfe
sind. Es sind eben Marinas mit Service und keine Vereins-Steganlagen,
wo am Abend oder Morgen ein gut oder schlecht gelaunter
abkommandierter Hafenmeister die Liegegebühr kassiert. Wir trafen
Segler in Griechenland, die, wenn es zu heiß (im Sommer) oder zu
kalt (im Winter) war, Teile der Saison am heimischen Herd in
Deutschland verbrachten. Mit gut gefüllter Börse lässt das
Mittelmeer keine Wünsche offen. Kultur und Segelstrecken stimmen. Im
Mittelmeer-Forum im WWW treffen sich viele und sind dort schon eine
richtige Familie geworden. Das Mittelmeer ist optimal für alle, die
noch etwas Geld nebenbei mit eigener Firma oder Schiff verdienen
müssen. Unser Highlight waren die Ankerbuchten zwischen Korsika und
Sardinien. Ich werde nie die köstlichen Pizzen vergessen, oder das
Pulpo Carpaccio in Maddalena.
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Der Autor im Rigg der SEA CLOUD versucht deren Schräglage zu demonstrieren .... um 1981 |
Die Atlantikrunde, auch um 1-X Jahre
verlängert, steht für die meisten heute als der machbare Traum
einer gewünschten Weltumsegelung. Die Strecken und Kosten sind
überschaubar. Die Sicherheitslage ist einschätzbar und wer
Brasilien meidet, hat gute Chancen, die Runde ohne größere
„Abgaben“ vollenden zu können. Die Karibik ist gut für einige
Jahre des Segelns. Ist noch genug Momentum vorhanden und hat der
Maintainance Burnout noch nicht eingesetzt, steht auch dem Pazifik
nichts entgegen. Das Revier rund um den Atlantik ist großartig und
bietet mit der Westkaribik und den San Blas Inseln einen kleinen
Vorgeschmack auf den Pazifik. Der Atlantiksegler ist aber auch auf
den nördlichen Inseln bis Grönland zu finden, er genießt den
Norden als wahre letzte Einsamkeit, Heimat vieler freundlicher,
hilfsbereiter Menschen.
Die Königsklasse der Weltumsegler sind
meist abseits der Routen oder bei den heimischen Stammtischen zu
finden. Machen diese Crews während ihres Rückwegs nach Europa
Station in der Karibik, sind ihre Erfahrungen für uns Neulinge Gold wert. Doch in der Regel treffen Weltumsegler sich eher auf den
Routen jenseits des Pazifiks.
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Mizzen Mast Crew SEA CLOUD, 1981 |
Es dauerte eine gewisse Zeit, bis wir
echte Langfahrtsegler trafen, Seglerpaare, die 30 und mehr Jahre
unterwegs sind. Die in keinem Interview von Bobby Schenk auftauchen,
die keinen eigenen Blog betreiben und eigentlich unsichtbar sind,
wenn man nicht den Blick dafür hätte. Meist keinem Verein angehörig
und mit kleinstem Budget, aber unendlich viel Zeit unterwegs. In den
Geschichten, die erzählt werden, kommt als Antwort oft „Ja, wann
war das denn?" „Na, so vor 25 Jahren vermutlich.“ Mehrjährige
Aufenthalte in Ländern, Arbeitsaufenthalte und auch Unterbrechungen
gab es in diesen Lebensläufen genügend. Ob da noch vom Segeln
gesprochen werden kann, mag dahingestellt sein. Keine dieser Crews,
die wir trafen, besaß ein Schlauchboot, in der Regel wurden
laminierte Holzboote gerudert und die Yachten waren so betagt wie
ihre Eigner.
Somit füge ich eine weitere Gruppe
meiner Einteilung hinzu, die ewig auf allen Meeren segelnden
Segel-Crews, eigentlich moderne Seenomaden auf unbegrenzte Zeit.
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Da macht man mal 5 Minuten Pause und schon kommt jemand mit der Kamera ... |
Edith Cavelle, Oktober 2017
Vor Saint Laurent du Maroni
(Französisch-Guyana) liegt ein über 100 Meter langes Wrack quer im
Fluss. Es ist bereits mit Bäumen bestanden und heißt Edith Cavelle.
Ich beginne zu googeln und stoße auf eine englische Krankenschwester
dieses Namens aus dem ersten Weltkrieg. Das Schiff ist 1898 in
England unter dem Namen SS Wagner gebaut worden. Es ist 106 Meter
lang und wurde von einer 3-stufigen Dampfmaschine angetrieben.
http://www.wrecksite.eu/wreck.aspx?112062
Es entstand dadurch eine
Propagandaschlacht gegen Deutschland. Spätere Historiker sehen
ebenfalls ein Fehlurteil. Die Krankenschwester hatte auf von
Deutschland besetztem Gebiet verwundeten französischen, britischen
und belgischen Soldaten zur Flucht verholfen.
1915 wurde die SS Wagner in Edith
Cavelle umgetauft, sicherlich zu Ehren dieser couragierten Frau, die
für das rote Kreuz arbeitete. Edith Cavelle wird noch heute in
England verehrt.
Unser Liegeplatz hinter dem Wrack ist
mehr als ideal. Der am späten Nachmittag einsetzende oft kräftige
Wind erreicht uns nur wohl dosiert und gibt angenehme Abkühlung. Oft
drehen wir uns wie ein Karussell und haben immer abwechselnde
Ausblicke auf den Maroni-Fluss, das Wrack und unsere Nachbarlieger.
Man könnte meinen, Edith Cavelle würde sich immer noch um Menschen
aufopferungsvoll kümmern, so wie sie dies ihr Leben lang gemacht
hat.
kleiner Film, hinter dem Wrack
Noch 317 Seemeilen bis zum Äquator oder
PARBO-Bier am südlichsten Punkt unserer Reise, September 2017
Angekommen auf den Iles du Salut,
Salvation Islands oder auch den Teufelsinseln, schmeckt unser
PARBO-Bier aus Surinam natürlich am besten. Wir haben den
südlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Hurra, der Wahnsinn kennt
keine Grenzen, wir segeln ab hier nur noch mit Rückenwind, des
Katamaranseglers liebster Wind. Der Weg hierher, die über 90
Seemeilen, war erneut so schwachwindig, dass wir praktisch 75 Prozent
der Strecke mit Segeln hoch am Wind bei Stärken von 4 bis 10 Knoten
(7-10 km/h) zusätzlich den Motor einsetzen mussten. Nun rollt die
MAGIC CLOUD (sprich, das Schiff bekommt Wellen von der Seite und
schaukelt vermehrt) am Ankerplatz und die Inseln warten auf eine
Erkundung.
Der südlichste Punkt auf 5 Grad Nord,
nur noch 300 Seemeilen und wir wären am Äquator, das wäre ja fast
noch ein erstrebenswertes Ziel. Doch Brasilien? Von Französich-Guyana führt keine Verbindung nach Brasilien, von kleinen Fähren
einmal abgesehen. Der Nachbar ist für den Franzosen nicht wirklich
interessant. Im Maroni River verkehrt eine Fähre für ganze 8 Autos,
eine Brücke scheint undenkbar bzw. unfinanzierbar, und eine größere
Fähre, da streitet man sich seit Jahren: wer bekommt die Einnahmen,
die Franzosen oder die Niederländer, also die Surinamesen oder die
anderen Guyanas? Guyana ist ein riesiges Land aufgeteilt in
britisch, niederländisch und französisch Guyana, so sieht es aus in
der Nachkolonisationszeit.
3 € kostet die Fahrt in der Piroge
nach Surinam, dort erwarten uns die Chinesen direkt am Ufer mit ihren
Läden. So wie es übrigens auch in Saint Laurent du Maroni ein
Chinesenviertel gibt.
Ach, was wäre eigentlich die Welt ohne
die Chinesen? Der Kieler Eingeborene kennt ja vielleicht noch einen
1-Euro-Laden aber keinen echten Chinesenladen, obwohl sich vermutlich
viele Produkte wie ein Ei dem anderen gleichen. Den lernt der Segler
spätestens in Spanien oder besser in Portugal kennen. Und danach
reiht es sich wie eine asiatische Perlenkette durch alle Länder, die
Weltenbummler so anlaufen, Kap Verden, Barbados oder Martinique,
Tobago oder Guyana, der Chinese ist schon da und bietet gleiches
Sortiment zu gleicher Qualität und Preisen an. Diese Läden haben
einfach alles, was unser Herz nach billiger, umwelt-unfreundlicher
Herstellungsart und garantiert
schlechter Qualität (nicht immer schlechte
Qualität) so pochen
lässt,
dass wir, um den Cent und den Euro zu schonen, in
opportunistische Kauflust verfallen.
An der Kasse sitzt immer ein Chinese
oder eine Chinesin und der Laden riecht nach den
Desinfektionsmitteln, die wir in Deutschland nur in der
abgeschlossenen und gegen Altersnachweis verkäuflichen
Chemikalien-Abteilung eines ausgesuchten Baumarktes ergattern können.
Steigt Segler also aus der aus einem
Baumstamm gefertigten Piroge, garantiert von einem YAMAHA-
Außenborder angetrieben, an den Strand von Albina, dem Ort in
Surinam, der gegenüber von Saint Laurent du Maroni liegt, überquert
er eine Plastikmüllkippe mittleren Ausmaßes, und fällt dann
praktisch sofort in den gut sortierten Chinesenladen.
Oder in den gut sortierten
YAMAHA-Laden, was die Wahl der einzig und alleinig verwendeten
Außenborder weit und breit erklärt. Übrigens, die Piraten von
Somalia verwendeten oder verwenden (sind die noch aktiv ?) auch
YAMAHA-Außenborder, was für eine Werbung! Wir fahren seit 5 Jahren
einen uralten geschenkten YAMAHA-Außenborder von Andi und Dirk, der
läuft ohne Mucken und springt nur an, wenn der Ablauf wie folgt ist:
einmal ziehen bei voll gezogenem Choke und Vollgas, dann ziehen bei
Halbchoke und Startgas. Wehe, er erhält nicht diese Labsal, das
quittiert er umgehend mit Null-Bock-mehr auf Starten. Woran erinnert
uns dies? Nun, auch YAMAHA-Außenborder sind kleine Mimosen, wie
viele Menschen, und benötigen immer die gleichen Prozeduren, wie
z.B. den Guten-Morgen-Kuss.
Doch zurück zum PARBO-Bier. Es ist
nahezu unmöglich, einen Schritt an diesem Strandabschnitt zu machen,
ohne auf eine Fahrt in einer Piroge nach wo auch immer angesprochen
zu werden. Somit ist für die Rückfahrt schon alles geklärt. Ich
trete also mit den zwei Paletten PARBO-Bier aus dem Laden (285
Suriname-Dollar macht durch 8,5 geteilt - der YAMAHA-Laden wechselt
die Euros - ca. 90 Cent für die 0,5 Liter Dose, das geht in Ordnung)
und schon werden mir diese aus der Hand genommen und in eine Piroge
bugsiert. Damit ist unsere „Rückfahrtpiroge“ festgelegt und es
gilt nur noch, diese an unser Schiff an der Mooring vor der Marina
Saint Laurent zu dirigieren (macht plus 2€ zu den 3€ pro Person).
Damit komme ich zu einem weiteren
„Highlight“, nämlich der Freundlichkeit in diesen Ländern. Alle
sind bemüht uns, ihren Service anzubieten, immer freundlich und nie
aufdringlich. Dies gilt allerdings etwas eingeschränkt für die
besagten Chinesen, besonders die hinter der Kasse, die scheinen
notorisch schlechte Laune haben zu müssen.
In den Supermärkten wird noch an der
Kasse eingepackt und jeder Extrawunsch erfüllt. Gut, in Tobago im
Penny-Saver arbeiten auch gefühlt ca. 60 Leute. In jedem Gang stehen
mindesten 4 Personen, die entweder dumm in die Regale schauen, ins
Handy oder sich mit einem Kollegen unterhalten. Jede Frage wird aber
mit akribischer Gewissheit selbst oder in aller Regel durch
Hinzuziehen des Marktleiters beantwortet. Was vielleicht die geringen
oder nicht existierenden Eingangsvoraussetzungen für einen solchen
Job erklärt.
Mit dem PARBO-Bier vor den
Teufelsinseln dreht sich nun nicht nur in meinem Kopf eine kleine
Scheibe, sonder auch unsere Reise nimmt ab jetzt einen neuen Verlauf.
Wir fahren praktisch zurück. Unsere Atlantik-Umrundung hat einen
Endpunkt erreicht, einen Ort, den wir kaum geglaubt hätten zu
erreichen, da ja das Segeln gegen Wind und Strom nicht zu unseren
Stärken gehört. Doch wir können dies nur allen empfehlen, wie
immer bei der Segelei soll man gut gemeinte Ratschläge ernsthaft
prüfen. Zu oft sind es nur weitergetragene Meinungen ohne eigenes
Erlebnis. Wenn also die MAGIC CLOUD mit ihrer kleinen Zweiercrew es
geschafft hat, dann schafft es jedes andere Schiff auch.
Am Abend läuft noch die Purusa am
Ankerplatz vor der Ile Royale ein. In 2 Wochen ist André die Strecke
direkt von Martinique allein in seinem 10-Meter-Stahlschiff
gesegelt,um den Hurrikanes zu entwischen. Deshalb segelt in den Süden
bis Kourou und Saint Laurent du Maroni, die NEREIDS Rally macht es
jedes Jahr vor und bietet optimale Unterstützung. Man kann sehr gut
von hier über Cayenne nach Frankreich fliegen, die Marina ist sicher
und alle sind hilfsbereit und sehr freundlich.
 |
Auswahl bei einem "fliegenden" Chinesen, eine andere Welt des Geschmacks ..... |
STOWAWAYS, Juli 2017
Ich stehe im Immigration Office von
Charlotteville im Nordosten von Tobago. Vor mir liegen bestimmt gefühlt 10
Formulare die ich stoisch mit immer den gleichen Daten versehe, Name,
Geburtsdatum, Passnummer usw. Mir rinnt der Schweiß in ungekannten
Strömen aus unzähligen Orten den gesamten Körper herab. Die
Klimaanlage arbeitet eigentlich gut, doch Tobago ist die Krönung der
umständlichen Anmeldung für Segler.

Die kleine Schwester des Staates
„Trinidad und Tobago“ ist für ihre aufwendigen Formalitäten
bekannt, ebenso wie der Versuch, von den Seglern Overtime-Gebühren
zu ergattern. Dies hier ist nicht zu vergleichen mit der Anmeldung
auf Martinique, die vom Segler selbst an einem Computer durchgeführt
wird. Den anschließenden Ausdruck am angeschlossenen Drucker wird
vom Shop- oder Barinhaber unterschrieben, und nach Zahlung von 3-5 €
ist man drin in der EU. Doch hier, hier auf Tobago heißt es jetzt,
keine Fehler machen. Den ersten Fehler, nämlich vor 9 Uhr in der
Bucht zu ankern, haben wir bereits vermieden, somit scheint keine
zusätzliche „Overtimegebühr“ anzufallen, aber man weiß ja nie.
Die Dame hinter dem Tresen ist mit
anschaulicher Leibesfülle ausgestattet und in adrette Uniform
gekleidet, sie schwitzt allerdings nicht, ein Rätsel für mich,
mittlerweile klebt mein Hemd als komplettes Ganzes an meinem nach
einer Dusche lechzenden Body.
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nicht viel zu sagen in Charlotteville |
Inzwischen bin ich an einem Formular
angelangt, auf dem groß „Stowaways“ steht. Ich sehe das Wort zum
ersten Mal, versuche, mich zu erinnern. Stow, also stauen, und away,
also weg, klar die wollen wissen, was wir so für Sachen an Bord
haben. Ich trage vorsichtshalber mal unsere Namen ein. Unter „Date
of Embarcation“ stutze ich erneut, Embarcation, da bin ich mir
sicher, das heißt so etwas wie Einschiffen. Ich sehe vermutlich
ziemlich verwirrt aus, da nimmt mir die freundliche Beamtin das
Papier aus der Hand und vernichtet es, sucht mir ein Neues heraus,
welches ich nur unterschreiben soll und keine weiteren Eintragungen
machen, bitte. Gut, das verstehe ich und überhaupt sagt sie, ihr
habt doch keine Stowaways, das sind nämlich blinde Passagiere. Oh,
das haben sie uns aber nicht beim C-Schein beigebracht, ja und gibt
es die denn überhaupt noch? Die Dame kommt aus der Abteilung
Berufsschifffahrt in Trinidad und bestätigt, ja, natürlich immer
haben die Schiffe welche dabei, sogar mit Papieren, die hoffen
natürlich, in einem anderen Land aussteigen zu dürfen, doch daraus
wird nichts, der Kapitän muss diese Passagiere wieder zu dem Hafen
bringen, wo er sie unbemerkt an Bord genommen hat. Ich nehme mir vor,
mehr auf Stowaways zu achten, doch zurücksegeln, gegen Wind und
Welle, das kommt nicht in Frage, so ein Stowaway müsste dann halt
mit uns weiter um die Welt segeln …
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Traumbucht Pirates Bay bei Charlotteville, falls Stowaways an Bord sind, wäre es schlau diese hier an Land zu bitten .... |
7 Inseln im Strudel des
englischen Kanals, die Kanalinseln.
Wie ein Lied aus Kindertagen trage ich meine Erinnerungen an
die Kanalinseln in mir. Erinnerungen an unvergessliche 6 Wochen auf Eilanden,
die zweimal pro Tag im strömenden und schwappenden Meer versinken. Vom Golfstrom, der Heizung
Europas, gespeist, revanchieren sich diese Eilande mit üppiger Natur. Völlig zu
unrecht sind diese Inseln etwas „vergessen“ worden in unserem so südwärts
gerichteten Urlaubsleben.
Ein Flugzeug oder eine Fähre muss man allerdings schon
besteigen, ich lande bequem mit eigenem Schiff, zunächst auf Alderney. Eine
lange ansteigende Straße prüft meine Seglerbeine, der Ort offenbart keinen Pub
für das längst ersehnte Bier. Ich bin enttäuscht, fast deprimiert. Es wird
nicht Liebe auf den ersten Blick, der bereits auf die größeren Schwestern
Guernesy und Jersey schielt. Alderney wird verlassen ohne umrundet zu sein. Der
spröde Charme ist Ausdruck ihrer Lage, zu weit draußen und mit Ruderbooten für
unsere Ahnen kaum erreichbar. Die Tide schiebt uns nach Südwesten in den
quirligen Hafen von St. Peter Port. Hier fühlen wir uns sofort wohl.

Das Albion House mit der Kneipe, die weltweit am nächsten zu einer Kirche sich befindet.
Britische Pubgemütlichkeit in maritimer Hafenatmosphäre.
Das Albion
House läd zum
typischen englischen Bier ein, welches man auf kleinen Teppichen absetzt. Ein
Busssystem umrundet die Insel und das Innere derselben, perfekt für Hop on und
Hop off. Guernesy lohnt es aber auch, selbst bewandert zu werden. Die rauhe
Westküste, von einem Sturm aufgewühlt, pustet mir meine letzten überflüssigen
Festlands-Gedanken weg, danke, ich war im Insel-Urlaub angekommen. Von St.
Peter Port, dem Zentrum der Insel, werden tägliche Bootsreisen zu den
vorgelagerten Inseln Herm und Sark angeboten. Von diesen kleine Inselidyllen
hat es mir besonders Sark angetan. Die Geschichte des Seigneur mit
seinen 40 treuen Gefolgsleuten liefert jeder Reiseführer. Kein Auto fährt auf
der leicht hügeligen Insel. Eine Unterkunft auf Sark bedeutet Abstand gewinnen
vom Festlandsleben. Mit dem Blick über die grünen Weiden und Wiesen und dem
umgebenden Wasser des Atlantiks, reduziert man sich auf eigene Ursprünge, der
Inseleffekt schlägt erbarmungslos zu.

Sark bietet wunderschöne englische Unterkünfte.
Besatzungszeit der Nazis eine Touristenbeschäftigung
Das Inselmuseum präsentiert größtenteils Dokumente aus der
Besatzerzeit durch die Nazis. Ein Umstand, der auch auf den anderen Kanalinseln
für die Touristenunterhaltung gerne verwendet wird. Bunker und andere
Liegenschaften der „Germans“ können besichtigt werden. Die Werbung lässt
vermuten, dass durchaus noch echte, lebende Nazikreaturen hinter einer Ecke
lauern. Doch der Reiz der Inseln bleib dadurch ungebrochen, auch wenn die
„Betonbauten“ von damals unverwüstlich erscheinen.
Blick auf den „Einschnitt“ von Sark, La Coupée.
La Coupée, ein starker Einschnitt auf der Insel Sark findet sich auf vielen
Postkartenmotiven wieder. Die Brücke mussten die deutschen Kriegsgefangenen
nach der Kapitulation bauen. Diese „deutsche“ Bauleistung ist auch heute noch
gut erhalten. Während der Inselwanderung laden immer wieder nicht ungefährliche
Abstiege zum Meer ein. Am Ende des Weges können in kleinen Pubs Bier, Tea,
Biscuits und Cream verspeist werden. Seafood liefert das Meer in fangfrischer
Qualität. Man taucht ein in dieses überzeugende englische Understatement, in
die Zuvorkommenheit der Menschen, dieser Achtung und Aufmerksamkeit britischen
Ursprungs. Kein südländisches und oft aufdringliches Temperament verdirbt einem
die Erholungstage.
Westküste von Herm mit Blick
auf Guernesy, St. Peter Port.
Herm, die Badeinsel
Herm ist eher die Badeinsel für die Ausflügler der größeren
Inseln, doch es gibt auch auf Herm einige wenige Zimmer. Wenn die Sonne
das klare Atlantikwasser in türkisenen Farben erstrahlen lässt, könnte man sich
in der Südsee wähnen.
Mich zieht es weiter nach Jersey, der größten Insel in Fläche
und Einwohner. Die Steuerpolitik der Insel lockt weltweit Firmen an. Das
Straßenbild ist ebenfalls englisch oder besser britisch geprägt. Straßennamen
und Ortsnamen sind aber weiterhin französisch gehalten. Jersey bietet dem
Reisenden vollendete Wandertouren über Klippen, Hügel oder an einsamen Stränden
an. Der Blick auf das Meer bei unterschiedlichem Sonnenstand fördert Gedanken
an eine baldige Wiederkehr.
Wanderung zum Leuchtturm La Corbière bei Ebbe, bei Flut steht
hier ca. 1-2 Meter Wasser.
Die Wanderung zum Leuchtturm La Corbière, der bei Flut abgeschnitten ist, (und somit auch mancher Wanderer der
dies vergaß) ist in der untergehenden Sonne im Westen nur eines der
Jersey-Highlights. Der Durell Wildlife Park für vom Aussterben bedrohter Tiere zählte ebenfalls
zu meinen Favoriten.
Die Inseln Les Écréhous bei Ebbe, die Flutkante liegt kurz
unter den Häusern.
Doch die Kanalinseln bieten auch das Unbekannte. Unser Schiff
erreicht die Les Écréhous, die kein Tourist besucht. Kleine Häuser auf wenigen
Felsbrocken tauchen aus dem Nebel auf. Früher lebten hier Sammler und Verwerter
der Meeresfrüchte, heute werden die kleinen Schmuckstücke behutsam in der
Familie weitervererbt, eines der letzten Paradiese genau vor der Haustür, nur
unerreichbar. Was für ein Leben, wenn zwischen den Nachbarn alle 12 Stunden das
Meer tost. Ich mache Bekanntschaften mit Menschen, die abseits der
Touristenpfade sich ganz der Schönheit und Abgeschiedenheit dieser Natur
verschreiben. Ich gehöre plötzlich dazu und werde eingeweiht in nur mündlich
übertragene geheime Orte. Es beruhigt, man findet doch noch vom Massentourismus
verschonte Plätze.
Ankerbucht auf den Les Chausey Inseln mit trockengefallenen
Sportschiffen.
Der Westwind schiebt weiter in Richtung St. Malo. 16
Seemeilen vor der Küste liegen die Inselchen Les Chausey. Ein Kanal führt durch
ein unübersichtliches Geäst von Fjorden, Inseln, Buchten und Becken. Bei Ebbe
ist kaum ein Hindurchkommen möglich, bei Flut lauern unter der Wasseroberfläche
scharfe Felszacken. Der durchreisende Segler meidet solche Gewässer im
Allgemeinen, folgerichtig sind wir hier wieder unter uns. Unser Katamaran fällt
trocken und wir können trockenen Fußes den Meeresboden begehen. Ein Wechsel von
Auf und Ab gemäß der Gezeiten stellt sich ein. Nachts hört es auf zu plätschern
und zu schaukeln, die Magic Cloud steht auf dem Sand, dann hebt es uns wieder sachte an.
Momente von unendlicher Glückseligkeit stellen sich ein. Wenn die Sonne im
Westen versinkt, sich lautlos entfernt, wird etwas von der ungeheuren Kraft der
Erddrehung spürbar. Nachts spannt sich der Sternenhimmel unserer Galaxie über
mir. Im Sternschatten der umgebenden Felsen entwickelt sich der Eindruck eines
durch das Universum rasenden Raumschiffes, unsere Erde. An vorderster Front
steht man selbst. Mond- und wolkenlose Nächte, ohne jegliches Fremdlicht, sind
das Eindrucksvollste was uns die Natur bietet.
Sind wir trocken gefallen, so treffen sich die Crews der
umliegenden Schiffe für einen Plausch. Es finden nur wenige in diese einmalige
Landschaft. Entfernt sehen wir Schiffe ankern, zu denen keine fahrbaren Wasser
zu führen scheinen. Dort verbringt eine Menschenseele ihren Urlaub bei Mutter
Natur. Ich werde hineingezogen wie in einen mystischen Film, aber es ist alles
so real, findet tatsächlich statt. Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen
zunehmend, ich werde Teil der Unterwasserwelt.
Vom Meer gezeichnete Tellerscherbe
Ich berge Relikte, die mich an Nachrichten aus einem
unbekannten Universum erinnern. Ich erklimme Felsen die noch keiner vor mir
erklommen hat. Das Meer gibt für 6 Stunden etwas von seinen Geheimnissen preis.

Ebbe auf den Les Chausey
Ich beginne den bei Ebbe freigelegten Meeresboden zu
erwandern. Ein Ort der nur den Fischen oder Tauchern in atemfeindlicher
Umgebung vergönnt ist. Ich entdecke Reste menschlicher Ingenieurskunst, im
schweren Sturm versunken. Auf Guernesy gibt es ein Museum im Fort Grey über
die Wracks an den Küsten der Kanalinseln. Selbst eine Bohrinsel scheiterte
einst im Orkan daran, die Passage durch den Englischen Kanal zu meistern. Doch
erstaunlich, alle Wracks wurden wieder geborgen, flott gemacht oder
abgeschleppt, kein Wrack ziert die Küste. Ein segelndes Handelsschiff mit dem
Ziel gen Norden, sorgte nach Strandung, durch seine Fässer voller Portwein und
andere Weine, für wochenlange Heiterkeit. Von dieser Heiterkeit und
Freundlichkeit leben die Kanalinseln heute noch. Sie sind ein seltener Juwel,
werden jeden neuen Gast begeistern mit ihrer Mischung aus britischer
Höflichkeit und französischer Lebensart und sind es wert, bereist zu werden.
Das Reisen mit einem Segelschiff, führt zu den „landwärts“
gerichteten Perspektiven dieser Welt. Ein Blick auf unsere Zivilisation, ein
Standpunktwechsel mit Rückzugsmöglichkeit bis hinter den Horizont.
Tja, hier ist erst einmal Ende, willst Du auch unsere alten Stationsmeldungen lesen, dann wäre eine Kontaktaufnahme über das Kontaktformular vorteilhaft.